“Su majestad, el pueblo pa’ cumplir tu ley”
(Ska-P: Simpático Holgazán)


Josep Miquel Arenas Beltran alias Valtonyc – Quelle: Òmnium Cultural

Der mallorquinische Rapper Valtonyc wurde für regierungskritische Texte von der spanischen Justiz zu drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Grundlage für die Verurteilung ist das umstrittene “Gesetz zur Sicherheit der Bürger”. Der Fall des Musikers ist nur ein Beispiel von vielen dafür, wie der spanische Staat durch die zunehmend repressive Gesetzgebung gegen soziale Proteste und politisch unliebsame Personen vorgeht – eine Entwicklung, die sich auch in anderen europäischen Staaten beobachten lässt.

Wie der spanische Staat gegen den linken Rapper Valtonyc vorging

Schon 2012 wurde Josep Miquel Arenas Beltran alias Valtonyc wegen “Verherrlichung von Terrorismus” und “Verunglimpfung von Autoritäten” festgenommen. Fünf Jahre später wurde ihm vor dem Sondergerichtshof für Bandenkriminalität, Wirtschaftskriminalität und Terrorismus der Prozess gemacht. Dabei ging es um Liedzeilen aus mehr als zehn seiner Songs1, in denen er z.B. dem Schwager des amtierenden Königs Felipe VI., Iñaki Urdangarin, und seiner Frau Infanta Cristina, welche öffentliche Gelder in Höhe von mehreren Millionen Euro veruntreuten, einen Job bei Burger King wünscht, dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy die Worte “Ich möchte den Spaniern eine Nachricht der Hoffnung übermitteln, ETA ist eine große Nation.” in den Mund legt und rappt, korrupte Politiker_innen sollten “Angst haben wie einst die Guardia Civil im Baskenland”2. Des Weiteren beleidigte er nach Auffassung des Gerichts neben Rajoy weitere konservative Politiker_innen und König Juan Carlos I.
Ein Antrag auf Haftverschonung beim spanischen Verfassungsgericht wurde vor wenigen Tagen abgelehnt. Valtonyc muss sich somit bis zum 24. Mai zum Haftantritt melden – bisher ist das nicht geschehen.
Laut seiner Unterstützer_innengruppe ist er der erste Musiker in Spanien, der allein wegen seiner Liedtexte zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde3.
Die Verurteilung hat in Spanien und darüber hinaus eine heftige Debatte über das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Freiheit der Kunst und die zunehmende staatliche Repression ausgelöst.

Wie der spanische Staat gegen politischen Protest und Aktivismus vorgeht

Es mag zunächst absurd anmuten, dass gegen einen Musiker vor einem Sondergerichtshof verhandelt wird, vor dem sich sonst schwer korrupte Politiker_innen, Drogenbosse oder eben Personen, die vom Staat als Terrorist_innen angesehen werden, verantworten müssen. In Spanien stellt das aber bei Weitem keinen Einzelfall dar. So wurde vor dem gleichen Tribunal gegen den Rapper Pablo Hasél und das Rap-Trio La Insurgencia wegen ähnlicher Vorwürfe wie denen gegen Valtonyc prozessiert und auch sie wurden jeweils zu Haft- und teilweise Geldstrafen verurteilt.
Die Grundlage für dieses Vorgehen bildet das sog. “Gesetz zur Sicherheit der Bürger”, das von der spanischen Bevölkerung auch “Knebelgesetz” (Ley Mordaza) genannt wird und eine von mehreren vorangegangenen Verschärfungen der “Sicherheitsgesetze” in Spanien darstellt.
Seinen Ursprung hat das Ley Mordaza in dem 1984 von der “Spanischen Sozialistischen Arbeiterpartei – PSOE” eingebrachten “Anti-Terror-Gesetz”, welches zahlreiche demokratische Grundrechte einschränkte, indem es z.B. Hausdurchsuchungen und Überwachungsmaßnahmen ohne richterlichen Beschluss ermöglichte und das Vorgehen von Repressionsorganen gegen staats- und regierungskritische Organisationen erheblich erleichterte.
Im Zuge der Reformierung des Gesetzes im Jahr 2000 wurden unter anderem die Straftatbestände der “Verherrlichung von Terrorismus” und der “Anstachelung zu Terrorismus” aufgenommen.
2015 wurde schließlich das neue “Sicherheitsgesetz” erlassen, welches einen neuen Höhepunkt in der repressiven Gesetzgebung Spaniens darstellt – eben jenes Ley Mordaza, das allein mit den Stimmen der rechten “Partido Popular – PP” verabschiedet wurde, welche mit absoluter Mehrheit im Parlament vertreten war.

Das Gesetz sieht unter anderem Strafen für “Delikte” vor wie:

  • “Treffen in öffentlichen Räumen”

  • “Respektlosigkeit gegenüber Sicherheitskräften”

    (Bußgelder bis zu 600€)

  • “Demonstrieren vor dem Kongress, Senat oder Parlamenten”

  • “Weigerung des Auflösens von Treffen”

  • “Streikposten”

    (Bußgelder bis zu 30.000€)

  • “Proteste in Telekommunikationsinfrastrukur”

  • “unangemeldete Demonstrationen”

    (Bußgelder bis zu 600.000€)4.

Das Gesetz verbietet außerdem das Filmen von Polizeibeamt_innen, während die Polizei selbst weitreichende Befugnisse zur Bildaufzeichnung erhielt.
Das Ley Mordaza hebelt somit faktisch Grundrechte wie die Versammlungsfreiheit, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit aus. Problematisch ist außerdem, dass die Polizei selbst zum Erlass der Strafen für die genannten “Delikte” befugt ist. Die Trennung von Exekutive und Judikative ist folglich teilweise aufgehoben und Bußgelder können völlig willkürlich verhängt werden.
Auf Grundlage der “Sicherheitsgesetzgebung” und unter dem Deckmantel des “Schutzes der Bürger_innen” kann der Staat gegen jedwede politisch unliebsame Person und Struktur vorgehen.
Wer sich den “Autoritäten” gegenüber unangepasst verhält oder der spanischen Zentralregierung ein Dorn im Auge ist, den_die trifft die volle Härte der Repression.
In der Vergangenheit kam es zu absurden Bußgeldbescheiden für das Fotografieren eines auf einem Behindertenparkplatz abgestellten Polizeiautos oder das Tragen eines Beutels mit dem Schriftzug “All Cats are beautiful”.
Eine Kneipenschlägerei baskischer Jugendlicher mit Mitgliedern der Guardia Civil, die sich nicht im Dienst befanden, wird als Terrorismusverfahren geführt, bei dem Haftstrafen zwischen 12 und 62 Jahren gefordert werden5.
Durch die Heranziehung des Straftatbestandes der “Rebellion” geht der spanische Staat gegen die Köpfe der katalanischen Seperatist_innenbewegung vor.
Und teilweise reicht der Arm der spanischen Repression sogar bis nach Deutschland. So wurden erst vor wenigen Monaten die baskischen Aktivisten Iñigo und Mikel, die sich in Berlin aufhielten, augeliefert, weil ihnen Mitgliedschaft bei der ETA vorgeworfen wurde6.
Die aufgeführten gesetzlichen Verschärfungen werden von zahlreichen oppositionellen Kräften in Spanien und von internationalen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty Internaional heftig kritisiert und selbst von den Vereinten Nationen als “fragwürdig” angesehen7.
Umso unverständlicher ist es, dass die Zeitschrift “The Economist” das Land, dass vor rund 40 Jahren nach dem Tod Francisco Francos von einer Diktatur in eine parlamentarische Erbmonarchie überführt wurde, in seinem Demokratieindex als eine von nur 19 weltweit funktionierenden Demokratien hervorlobt8. Die von westlichen Staaten gern als Demokratiemarker herausgehobene “Rechtsstaatlichkeit” ist in Spanien ausgehebelt und und die Unterwanderung der grundlegendsten demokratischen Rechte müsste selbst überzeugte Anhänger_innen des Parlamentarismus zweifeln lassen.

Spanien tut sich in Bezug auf die Verschärfung der “Anti-Terror-” und “Sicherheitsgesetze” deutlich hervor. Es ist allerdings nicht das einzige europäische Land, in dem die Repression ausgeweitet und die Grundrechte eingeschränkt werden.

Wie der spanische Staat, so auch andere Staaten

Unter dem Vorwand der Verteidigung der Sicherheit und westlicher Werte und der Bekämpfung des Terrorismus haben weitere europäische Länder ihre Gesetzgebung verschärft und Überwachungsmaßnahmen massiv ausgeweitet.

In Frankreich wurde nach den Anschlägen vom 13. November 2015 der Ausnahmezustand verhängt und sechs Mal verlängert, bis er schließlich in Gesetzesform gegossen wurde. Nach den neuen Bestimmungen können “Verdächtige” in ihrer Bewegungsfreiheit massiv eingeschränkt werden und müssen Telefonnummern und Passwörter offenlegen. Präfekt_innen können Teile des öffentlichen Raumes zu sog. “Sicherheitszonen” erklären, in denen verdachtsunabhängige Kontrollen durch “Sicherheitskräfte” möglich sind.

In Bayern wurde am 15. Mai 2018 das neue “Polizeiaufgabengesetz – PAG” verabschiedet. Das Gesetz räumt der Polizei weitreichende Befugnisse für Maßnahmen ein, die ohne richterlichen Beschluss durchgeführt werden können. So können Personen bei “drohender Gefahr”, also ohne konkreten Hinweis auf die Vorbereitung von “Straftaten” umfassend überwacht werden. Ihre Telefone können abgehört werden und Online-Daten ausgelesen, gelöscht und sogar verändert werden. Nach Behördenansicht verdächtige Personen können präventiv mit einer Fußfessel belegt oder theoretisch unbegrenzt in Gewahrsam genommen werden.
Weitere deutsche Bundesländer planen ebenfalls umfangreiche Verschärfungen ihrer Polizeigesetze.

Es zeichnet sich ein Trend ab – ein Trend hin zu immer umfassenderer Überwachung, zu immer repressiverem Vorgehen gegen politische Proteste und soziale Kämpfe, zur staatlichen Legitimierung rassistischer Ressentiments und dem stetigen Abbau von einstmals erkämpften Grundrechten.
Die Widersprüchlichkeit der Argumentation, mit denen diese Maßnahmen moralisch begründet werden, ist offensichtlich: wenn unter dem Vorwand der Sicherheit die Freiheit zunehmend beschränkt wird, ist die Verteidigung freiheitlicher Werte nur eine leere Worthülse.


Quellen:

1https://www.elperiodico.com/es/ocio-y-cultura/20180221/valtonyc-letras-6640601

2http://www.taz.de/Spanischer-Rapper-vor-Gericht/!5505149/

3https://pbs.twimg.com/media/Dc7dJCtXUAYj-6Q.jpg

4http://abcdd.org/wp-content/uploads/2017/02/repression_spain_de.pdf

5http://www.info-baskenland.de/1724-0-Das+ist+kein+Terrorismus+-+wir+fordern+Gerechtigkeit.html

6http://www.info-baskenland.de/1684-0-Freiheit+fuer+Inigo+Gulina+und+Mikel+Barrios+.html

7https://www.ardmediathek.de/tv/Europamagazin/Spanien-Umstrittenes-Maulkorbgesetz-kri/Das-Erste/Video?bcastId=342024&documentId=43623274

8http://www.spiegel.de/politik/ausland/katalonien-carles-puigdemont-ist-kein-hochverraeter-a-1199887.html